Die "Langläufer" im Oberbergischen Land und im Sauerland - Teil 1    (1911 bis 1920)

Die ursprünglich als Köln-Kasseler geplante Eisenbahn entstand mühsam, sparsam und in vielen Einzelabschnitten als Nebenbahn.

Hier in aller Kürze die Entstehungsdaten:

01.04.1874 Eröffnung des Abschnitts Finnentrop – Attendorn

06.09.1875 Eröffnung des Abschnitts Attendorn – Olpe

14.10.1884 Eröffnung des Abschnitts Siegburg - Overath – Ründeroth

01.05.1887 Eröffnung des Abschnitts Ründeroth – Derschlag

01.01.1896 Eröffnung des Abschnitts Derschlag – Bergneustadt

01.09.1903 Eröffnung des Abschnitts Bergneustadt – Olpe

01.08.1910 Eröffnung des Abschnitts Overath – Cöln* (bis 1919 schrieb man Cöln mit „C“)

11.01.1911 Eröffnung des Abschnitts Finnentrop – Wennemen

* Da in Köln die Brücke über den Rhein noch gar nicht leistungsfähig war, bogen die Züge aus dem Aggertal in Cöln-Deutz rechts ab nach Mülheim/Rhein. Wer zum Hauptbahnhof wollte, musste in Deutz umsteigen.

Nun endlich war die Eisenbahn von Köln durch das Oberbergische Land und das Sauerland über Olpe und Finnentrop bis zur oberen Ruhrtalbahn bei Meschede realisiert.

Mit all den Kurven und Steigungen war diese Verbindung recht langsam und hatte nur regionalen Charakter. Trotzdem nahm die Eisenbahndirektion Elberfeld gleich nach Eröffnung des letzten Abschnitts recht lange Zugverbindungen auf, die zum Teil weit über die zu erwartenden Laufwege hinaus gingen.

So gab es ab 1911 den Personenzug 1199, der gegen 5 Uhr morgens in Overath eingesetzt, über Dieringhausen – Olpe – Finnentrop – Wennemen – Bestwig und Brilon bis Paderborn verkehrte und dort um halb drei am Nachmittag eintraf.

In Olpe war die Fahrtrichtung zu wechseln, was einen 17 minütigen Aufenthalt begründete. Ob ein Lokwechsel erfolgte, ist leider nicht überliefert. In Finnentrop gönnte man sich 50 Minuten Aufenthalt und hatte zunächst Anschluss an den D 176 (Crefeld – Konstanz) und etwas später an den P 1252 von Siegen nach Hagen. Von Finnentrop ging es dann weiter bis Bestwig, wo es nochmals 35 Minuten Aufenthalt und einen wichtigen Anschluss an den D29 nach Berlin Potsdamer Bahnhof und Kurswagen nach Leipzig und Dresden gab. Paderborn.

Auf seinem 221 Kilometer langen Laufweg hielt der Zug insgesamt 60 mal. Die durchschnittliche Entfernung zwischen den Stationen betrug demnach 3,68 Kilometer und die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von Start bis Ziel betrug 39,4 Km/h

Die Rückleistung startete um 9.00 Uhr als Zug 666 / 1210 in Paderborn und legte in Bestwig von 11.35 bis 12.52 Uhr eine gehörige Mittagspause ein. Die nächste Pause gab es in Finnentrop mit 33 Minuten. Mit Fahrtrichtungswechsel in Olpe von zehn vor Vier bis 14 Minuten nach Fünf. In Bestwig und Olpe gab es vermutlich auch einen Lokwechsel.

Ab Olpe ging es dann ohne größere Aufenthalte bis Köln, wo der Zug nach 69 Halten um viertel vor Neun abends eintraf. Bei den Zeitangaben galt damals noch die 12-Stunden-Zählweise mit den unterstrichenen Minuten zwischen sechs Uhr abends und sechs Uhr morgens.

Die Reisezeit von Start bis Ziel betrug stattliche 705 Minuten auf 252 Kilometer, was eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 28,1 Km/h ergibt.

Damit dürfte klar sein, dass wohl kaum jemand von der oberen Ruhrtalbahn mit diesem Zug nach Köln oder umgekehrt gereist sein wird. Von Bestwig konnte man über Hagen und Wuppertal in 3,5 Stunden in Köln sein. Über Finnentrop und Olpe dauerte es mehr als doppelt so lange, obwohl die Entfernung ca. 10 Kilometer geringer war.

Was immer die damaligen Fahrplanspezialisten mit solchen Zugläufen bezweckt haben, für einen kleinen Dorfbahnhof wie z. B. Wiedenest mag es gut ausgesehen haben, wenn außer Olpe, Köln und Dieringhausen auch Paderborn, Bestwig und Wenholthausen auf der Abfahrttafel zu lesen war. Außerdem konnte man mit nur einem Umstieg bis nach Constanz, Berlin, Leipzig oder Dresden fahren.

Der Laufweg nach Paderborn war zwar der weiteste aber nicht der Einzige, der von Cöln ins hohe Sauerland führte.

Da gab es zum einen das Zugpaar 1203 von Mülheim/Rhein nach Bestwig mit der Rückleistung Zug 1194 von Bestwig nach Dieringhausen. Dieser Zug ermöglichte die direkten Anschlüsse mit D-Zügen aus Berlin, Leipzig und Dresden in Bestwig sowie von Konstanz, Karlsruhe und Frankfurt/Main. Außerdem das frühe Zugpaar 1202 von Wenholthausen nach Mülheim/Rhein und die späte Rückleistung mit Zug 1197 von Mülheim/Rhein nach Wenholthausen. In beiden Richtungen war dieses Zugpaar teilweise als beschleunigter Personenzug unterwegs. In Ost-West-Richtung ließ dieser Zug neun und in umgekehrter Richtung sechs Halte aus.

Damit man sich diese Zugläufe besser vorstellen kann, habe ich sie mit dem Kursbuchmaterial von 1914 ähnlich wie einen Fernfahrplan zusammengestellt:

Diese Zugläufe hatten Bestand bis 1916. Danach wurde das Zugangebot kriegsbedingt deutlich reduziert. Es verblieben aber trotzdem einzelne Zugläufe über Olpe und Finnentrop hinaus bis Anfang der 1920er Jahre bestehen.

(c) Christoph Marschner März 2022  www.kursbucharchiv.de

Wer sich für diese Thematik interessiert und wer weitere Erkenntnisse zu diesem Thema beitragen kann, möge sich gerne per E-Mail christoph-m@gmx.de mit mir in Verbindung setzen.

Hier geht es zur Fortsetzung: Langläufer - Teil 2 - 1931